Lebenskrise Lesezeit 3 Min.

Trauerverarbeitung 

Jutta Nagel Psychotherapeutin

Autor:

Jutta Nagel

Published:

12.11.2021

Wie du mit Kummer und Schmerz umgehen kannst, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist

Mit Trauer umgehen

Der Verlust einer nahestehenden Person wiegt schwer und stellt häufig eine tief greifende Erfahrung in unserem Leben dar. Egal, ob es uns unvorbereitet oder nach langer Krankheit trifft. Wir sind geschockt, vielleicht überwältigt von unseren Gefühlen oder wir empfinden im ersten Moment auch gar nichts und sind wie in einem luftleeren Raum gefangen. Oder wir sind verzweifelt und fragen uns, wie soll es im Leben ohne diese Person weitergehen. 

Sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden, ist ein Prozess, der nicht mit der Bestattung endet. Für die Trauerbewältigung brauchen wir Zeit. 

Wie wird Trauer verarbeitet?

Das Trauern wird uns in der westlichen Kultur eher erschwert, weil es in unserer Gesellschaft leider nur noch wenige Trauerrituale gibt. Zudem geschieht das Sterben meist im Krankenhaus oder in Altenheimen und nicht mehr zu Hause. Kinder werden der Situation oft ferngehalten, um sie vermeintlich nicht noch zusätzlich zu belasten. Doch gerade für sie ist es dringend notwendig, dass sie die Verabschiedung eines nahestehenden Menschen durchleben dürfen. Und nicht nur für Kinder, für jeden Menschen ist es wichtig, über den Verlust einer geliebten Person trauern zu dürfen.

In südlichen Ländern gibt es den Ritus der sogenannten Trauerweiber. Wie der Name sagt, jammern und klagen sie lautstark. Durch diese starke Reaktion helfen sie den Hinterbliebenen. Denn die Trauerweiber fungieren als Vorbild und öffnen die emotionale Tür, um selbst leichter jammern und klagen zu können. Hingegen versuchen wir in den westlichen Ländern die Trauer meist allein zu verarbeiten. Hinzukommt, dass wir meinen, wir muten anderen Menschen zu viel zu, wenn wir traurig sind oder gar unseren Schmerz zeigen. Und oft genug wird, wenn der Tod des geliebten Menschen einige Wochen oder Monate zurückliegt, von außen an uns herangetragen, dass „es jetzt gut sei und sich die Welt weiterdrehen müsse“. 

Auch der Brauch der 3-tägigen Totenwache, bei der die Toten zu Hause aufgebahrt werden und von Familie, Verwandten, Freunden und Bekannten nochmals besucht werden können, wird nur noch selten praktiziert. Dabei bietet die Totenwache einen intimen Rahmen, um den geliebten Menschen zu beweint, ihn noch einmal zu betrachtet oder ihn ein letztes Mal zu berühren. Durch das Zusammensitzen und das Sprechen über den Verstorbenen entsteht zusätzlich ein heilsames Miteinander.

Früher gab es auch die Tradition des Trauerjahrs. Und das gab es nicht umsonst. Die Menschen trugen ein Jahr zum Zeichen ihrer Trauer schwarze Kleidung. Ich will damit nicht sagen, dass wir schwarz tragen müssen. Ich möchte deutlich machen, dass es eine Ausdrucksform für das Trauern gab. Es war Raum und Zeit vorgesehen, um sich als Hinterbliebene oder Hinterbliebener mit der Situation auseinanderzusetzen. Um den Schmerz zuzulassen, bis es der Person wieder möglich war, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. 

Aus meiner Arbeit wie auch aus eigener Erfahrung mit dem Trauern weiß ich, wie wichtig es für uns ist, eigene Wege des Trauerns zu finden. Dazu möchte ich dich ermutigen, dir die Zeit zu nehmen und herauszufinden, was dich tröstet und was dir die Last der Trauer leichter macht. 

Wenn die Trauer nicht verarbeitet wird

So unbegreiflich der Tod immer noch für viele von uns ist, umso begreiflicher dürfen wir ihn für uns machen. Dieser Schritt ist besonders wichtig, damit wir einen Abschied finden und unser Leben nach einer gewissen Zeit wieder selbst in die Hand nehmen können. 

All das können Anzeichen sein, dass du den Tod eines geliebten Menschen nicht verarbeitet hast:

  • Appetitlosigkeit oder auch übermäßiges Essen
  • Schlaflosigkeit und daraus folgende Erschöpfung
  • Gedankenkarusselle mit Unruhe
  • Reizbarkeit
  • Suchtverhalten (Trost durch Alkohol oder Drogen)
  • Einsamkeit und Rückzug über lange Zeit
  • In Arbeit vergraben, um nicht an den Verlust denken zu müssen
  • Lustlosigkeit und Vernachlässigung von Hobbys (Desinteresse)
  • Funktionsmodus, um den Schmerz nicht aushalten zu müssen
  • Schuldgefühle und/oder Vorwürfe
  • Ängste und Unsicherheiten

Braucht es eine professionelle Begleitung in der Trauerverarbeitung?

Wenn diese Symptome im Übermaß oder über lange Zeit auftreten, damit sind Monate gemeint oder gar Jahre, kann es sein, dass du im Trauerprozess stecken geblieben bist oder ihn vielleicht auch noch gar nicht angefangen hast. In diesem Fall ist es hilfreich, dir professionelle Hilfe und Unterstützung zu holen, um die ersten Schritt zurück in dein Leben leichter zu gestalten. Ohne den verstorbenen Menschen zu vergessen! Trauerbewältigung heißt nämlich nicht, dass wir die geliebte Person vergessen sollen. Vielmehr geht es darum, einen Weg für deine Gefühle zu finden.

Traurige Frau mit Herzluftballon

Trauerprozess und die Trauerphasen

Es gibt im Trauerprozess verschiedene Elemente:

Verleugnen

Abwehr

Zorn

Differenzierung

Mittlerweile weiß die Forschung, dass das Trauern nicht in Stufen abläuft und auch keiner Reihenfolge folgt. Wir durchlaufen auch nicht unbedingt alle Elemente des Prozesses.

Oft treten die Gefühle der Trauerverarbeitung in Wellenform auf, mal mehr, mal weniger intensiv, kurz hintereinander oder mit Pausen bis zum nächsten hohen Wellengang.

Ein Schlüssel im Trauerprozess ist, die Gefühle nebeneinander oder nacheinander oder im Wechsel da sein zu lassen. Das bedeutet, traurig zu sein, dass der Mensch nicht mehr da ist und auch wütend darüber sein zu dürfen, dass der Mensch nicht mehr bei dir ist. Es gibt hier kein „Entweder ..., oder ...“, sondern es ist ein „Sowohl als auch“.

Alle Gefühle, die während der Trauer auftauchen, haben ihre Richtigkeit und sind angemessen!

(Quelle: Baer & Baer, Vom Trauern und Loslassen)

Die Elemente der Trauer im Überblick:

01

Verleugnen

Wir wollen es nicht wahrhaben, dass der Verstorbene nicht mehr bei uns ist. Menschen tun dann so, als ob noch alles wie vorher wäre. Oder wir geraten in einen Schockzustand, fühlen uns wie betäubt und können gar nicht wirklich fühlen, wie es uns gerade geht. Manche spüren auch eine innere Leere und wollen diese etwa mit Arbeit oder allerlei Ablenkung überdecken.

02

Abwehr

Es ist nicht mehr zu leugnen, dass der verstorbene Mensch nicht mehr in deinem Leben ist, dennoch wird die konkrete Auseinandersetzung mit dem Schmerz und der Trauer noch gescheut. Diese Phase kannst du auch als „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnen. Du weißt oder fühlst es, dass etwas kommt, unterdrückst es aber noch, weil du das Gefühl hast, es nicht zu ertragen.

03

Zorn

Nun beginnt der Sturm. Wir sind wütend und zornig, weil der Mensch, den wir lieben, nicht mehr da ist. Vielleicht auf den „da oben“, der so ein Schicksal zulässt, etwa bei einer Krankheit oder einem tragischen Unfall. Manchmal werden auch Schuldige gesucht und wir sind wütend auf andere wie die Ärzte, die den Menschen nicht retten konnten. Oder wir sind zornig, weil wir jetzt alleine sind.

Es ist wichtig, zunächst einmal das Verständnis dafür zu entwickeln, zornig sein zu dürfen. Es geht darum, die Wut nicht zu tabuisieren, zu übergehen oder abzuwerten. Der Zorn ist ein Gefühl und jedes Gefühl darf sein. 

04

Differenzierung

Wir fangen an zu unterscheiden zwischen dem, was wir verloren haben und dem, was bleibt. Bestimmte Dinge erleben wir mit dem verstorbenen Menschen nicht mehr. Was wirkt in mir nach? Was habe ich in guter Erinnerung? Was haben wir miteinander geteilt?

Die Haltung von „alles ist weg“, weicht der Haltung „ich vermisse den Menschen und ich kann mich gleichzeitig anderen Personen und Aktivitäten zuwenden“. Dadurch entsteht eine neue Bewegung im Leben, innerlich wie äußerlich. Die Trauer ist nicht mehr so massiv und allumfassend. Sie ist da, doch tritt nun auch mal in den Hintergrund.

Weg des Trauerns und des Abschiednehmens

So könnte dein eigener Weg zur Trauerbewältigung aussehen:

  • Zu aller erst: Erlaube dir das Trauern so lange, wie es braucht! Oft glauben wir, wir müssen uns zusammenreißen und so tun, als ob alles in Ordnung ist. Wir denken fälschlicherweise, es wäre besser, für die Verarbeitung als stark und belastbar zu gelten. Selbst wenn du Mutter oder Vater bist und einen Partner verloren hast, zeige deinem Kind, das es in Ordnung ist, auch traurig zu sein. 
  • Gerade wenn du eine dir sehr nahestehende Person, z. B. den Lebenspartner verloren hast, stellt sich die Frage: Wie geht ein Leben ohne ihn/sie? Wer bin ich ohne ihn/sie? Der eigene Lebensplan darf wieder gefunden werden. Dazu braucht es Zeit. Wenn möglich, nimm dir diese Zeit und finde durch Hinterfragen oder Ausprobieren heraus, was dir unter diesen Umständen guttut und wie dein Leben nun in anderer Form weitergehen kann. 
  • Begegnen dir Gedanken wie „Ich kann doch nicht fröhlich sein, wenn mein geliebter Mann, Kind, Mutter nicht mehr bei mir ist“, kannst du dich fragen, was würde sich der verstorbene Mensch für dich wünschen. Was würde er/sie dir sagen, wie du mit seinem Verlust umgehen darfst? Das kannst du auch dein verstorbenes Kind fragen. Lausche in dich hinein. Du bekommst mit Sicherheit eine Antwort. 
  • Vielleicht hilft es dir, an die verstorbene Person zu schreiben. Teile ihr/ihm in einem Brief deine Gefühle mit. Du kannst auch immer wieder schmerzliche oder schöne Augenblicke aufschreiben, die du gerne mit der geliebten Person teilen möchtest. 
  • Vielen Menschen hilft es, sich während der Trauerphase mit lieben und vertrauensvollen Menschen zu unterhalten. Scheu dich nicht über deinen Kummer zu sprechen – auch mehrmals. Gute Freunde haben ein Ohr für dich in dieser Situation und auch ihnen tut es gut, wenn sie dir durch das Zuhören helfen können. Allein durch das Reden gibst du deinem inneren Gefühlschaos eine gewisse Struktur und das macht dich klarer und hilft den neuen Umstand zu verarbeiten.
  • Plagen dich Schuldgefühle, z. B. nach einem Suizid oder Unfall, ist es noch wichtiger, dich mit der Aufarbeitung zu beschäftigen. Es kann sein, dass du wirklich Schuld hast oder du dir die Schuld vermeintlich zuschreibst. Lass diesen Gedanken zu, das entlastet dich und ist hilfreich bei der weiteren Verarbeitung. In diesem Fall empfehle ich dir auch professionelle Unterstützung zu holen, denn Schuldgefühle lassen sich allein nur schwer verarbeiten. Dazu braucht es ein Gegenüber. 

Wie lange dauert Trauer?

Trauern ist sehr individuell und es dauert so lange, wie es dauert. Es gibt keinen vorgeschriebenen zeitlichen Horizont! Nichts ist zu kurz und nichts zu lang. Wichtig ist, dass du in den Prozess der Trauerverarbeitung hineingehst und die Trauer nicht verdrängst oder deine Gefühle unterdrückst. 

Bei der Trauerverarbeitung geht es darum, dem Gefühlszustand im Inneren einen Ausdruck zu geben – es nach außen kommen zu lassen. Damit es nicht weiter im Inneren rumort. Du kannst dir das wie eine Wunde am Bein oder Arm vorstellen. Wenn sich Schmutz, ein Splitter etc. in der Wunde befindet, kann diese nicht heilen. Genauso verhält es sich mit deiner Trauer. Alle deine Gefühle müssen raus bzw. ihren Raum finden und stattfinden. So lange bist du für dich entscheidest, das Gefühl darf nun gehen, es ist in Ordnung.

Das mag sich ganz zu Beginn eines Trauerprozesses falsch anfühlen, als solle man den geliebten Menschen vergessen. So ist es nicht. Eine Trauerverarbeitung ist ein Weg, um mit der Situation des Verlustes fertig zu werden. Ziel ist es, den Schmerz, den du nach dem Tod des geliebten Menschen verspürst, zu verwandeln. Das geht nur über die Zeit und über den Ausdruck deiner Gefühle. Am Ende weicht der Schmerz den schönen Gedanken an die geliebte Person. 

Wenn du spürst, du kommst mit dem Trauern nicht zurecht und fühlst dich stark belastet, ist es ratsam, wenn du dir Unterstützung suchst. Vielleicht macht sich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Freudlosigkeit breit und du hast das Gefühl, dieser Gefühlsmix oder die Gefühllosigkeit kannst du alleine nicht bewältigen, dann sei so mutig und erlaube dir, professionelle Hilfe zu holen, um den Trauerprozess zu durchlaufen.

Mit dem verstorbenen Menschen im Herzen dein Leben weiterleben

Lass uns gerne sprechen und klären, ob ich dich unterstützen kann:

Hallo, ich bin Jutta Nagel!

Als Heilpraktikerin für Psycho­therapie und Achtsamkeits­expertin unterstütze ich dich dabei, deine innere Balance zu finden und Lebens­krisen wie den Verlust eines Menschen zu verarbeiten. Einfühlsam, fördernd, in meiner intuitiven Weise, finden wir deinen persönlichen Weg aus der Krise und Überforderung, wieder in ein glückliches und ausgeglichenes Sein.

Ob in Online-Sitzungen oder bei mir in der Praxis in Ravensburg ich bin für dich da!

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